Betreuungsunterhalt für allein Erziehende – BGH - Urteil sorgt für Aufruhr!
Dieses erste „Grundsatzurteil“ des Bundesgerichtshofs (AZ: XII ZR 74/08) wurde mit Spannung sowohl von den bislang zur Zahlung verpflichteten geschiedenen Vätern und Männern als auch natürlich von den allein erziehenden Müttern erwartet.
Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Vater eines an Asthma leidenden siebenjährigen Kindes wurde nach der Scheidung von seiner Frau dazu verpflichtet, zugunsten der betreuenden Mutter einen Unterhaltsbetrag in Höhe von 837,00 € zu zahlen.
Der Mann berief sich nunmehr auf die im Jahr 2008 stattgefundene Unterhaltsrechtsreform und begehrte die Streichung dieser Zahlungsverpflichtung. Er ist der Ansicht, dass die Mutter, welche lediglich eine 70 % - Stelle ausübt, um sich in der übrigen Zeit dem Kind widmen zu können, Vollzeit arbeiten könnte. Das Kammergericht Berlin hatte zunächst der Frau Recht gegeben.
Nach dem bislang geltenden Recht wurde der Betreuungsunterhalt weitestgehend nach dem so genannten Altersphasenmodell geregelt, wonach die Erwerbsverpflichtung der Mutter sich in erster Linie am Alter des Kindes orientierte.
Es handelte sich hierbei um eine relativ starre Regelung, die den besonderen und individuellen Umständen jedes Einzelfalles nicht Rechnung tragen konnte.
Aus diesem Grund wurde mit der Unterhaltsrechtsreform beschlossen, dass der Betreuungsunterhalt grundsätzlich für drei Jahre nach der Geburt geschuldet ist und nach Ablauf dieser Frist nur nach „Billigkeit“ verlängert werden kann.
Im Rahmen dieser Billigkeitserwägung ist das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen, allerdings hat der BGH nunmehr in seinem Urteil entschieden, dass der Vorrang der persönlichen Betreuung gegenüber anderen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten wie Kindergärten, Kindertagesstätten etc. wegfällt.
In jedem Einzelfall muss daher ermittelt werden, ob und welche öffentlichen Betreuungsmöglichkeiten konkret in Anspruch genommen werden können und ob die Erwerbstätigkeit der Mutter trotz ganztägiger Fremdbetreuung des Kindes nicht trotzdem eine unzumutbare und überobligatorische Belastung für die Mutter darstellt.
Auch ist die Dauer der Ehe und die ursprünglich vereinbarte Rollenverteilung zu berücksichtigen. Hatten die Ehegatten sich bei Beginn der Ehe darauf geeinigt, dass die Frau ihre eigene Berufstätigkeit im Interesse der Kindererziehung aufgeben sollte, kann sie im Vertrauen auf diese Absprache deutlich länger Unterhalt beanspruchen als in einer Doppelverdienerehe.
BGH-Urteil
Der BGH hat nunmehr in seinem Urteil vom 18.03.2009 zunächst entschieden, dass der Fall zur erneuten Entscheidung an das Kammergericht Berlin zurückverwiesen wird. Auch diese Entscheidung wird sicher von vielen Betroffenen mit Spannung erwartet.
Das Urteil wird derzeit in Fachkreisen heftig diskutiert.
Es besteht eine enorme Rechtsunsicherheit für junge Familien aufgrund der nunmehr oftmals im Vorfeld nicht vorhersehbaren Einzelfallumstände einer etwaigen Trennung.
Es kann nur angeraten werden, diese durch den Gesetzgeber geschaffene Unsicherheit rechtzeitig durch individuelle und konkrete vertragliche Regelungen zu beseitigen.
von Annette Scharf