Kindesunterhalt trotz Leistungsunfähigkeit?
von Annette Scharf
Wenn Eltern sich trennen ist zunächst zu klären bei welchem Elternteil die gemeinsamen Kinder ihren weiteren gewöhnlichen Aufenthalt haben sollen.
Selbstverständlich gibt es auch Fälle, in denen die Eltern selbst nach einer Trennung die Betreuung der Kinder weiterhin gemeinsam übernehmen. Der Normalfall ist ein solches Wechselmodell jedoch nicht.
Vielmehr entspricht es der Regel, dass die Kinder überwiegend von einem der Elternteile betreut werden und der andere Elternteil ein Umgangsrecht erhält. Daneben hat er monatliche Unterhaltsleistungen zu zahlen.
Die Höhe dieser Unterhaltszahlung hängt von den Einkommensverhältnissen des Verpflichteten ab. Nach der so genannten Düsseldorfer Tabelle werden aktuell 10 verschiedene Einkommensstufen unterschieden. Die erste Stufe, die den Mindestunterhalt und somit das Existenzminimum minderjähriger Kinder angibt, erfasst Einkünfte in Höhe von „bis 1.500,00 Euro“ netto monatlich.
Erzielt der Verpflichtete lediglich Einkünfte in dieser Höhe, ist zunächst zu prüfen, ob er überhaupt Zahlungen leisten kann, ohne den eigenen Lebensunterhalt zu gefährden.
Der ihm insoweit zu verbleibende Betrag für das eigene Auskommen beläuft sich derzeit auf 900,00 Euro.
Die Frage ist nun, ob die Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt zwangsläufig einfach wegfällt, wenn nur Einkünfte unter 900,00 Euro erzielt werden, der Verpflichtete sich also auf „Leistungsunfähigkeit“ beruft.
Der Gesetzgeber hebt die Rechte minderjähriger Kinder besonders hervor und will diese schützen. Aus diesem Grund werden besonders strenge Anforderungen an die Darlegung einer etwaigen „Leistungsunfähigkeit“ gestellt.
Der Unterhaltsschuldner unterliegt einer gesteigerten Unterhaltspflicht, was auch die Aufnahme bzw. Ausübung einer Erwerbstätigkeit umfasst.
Unterlässt der Verpflichtete also willentlich eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit, so können ihm fiktiv erzielbare Einkünfte für die Unterhaltsberechnung zugerechnet werden.
Wird nur ein Einkommen erzielt, welches nicht ausreicht, die Unterhaltsverpflichtung zu erfüllen, ist zu prüfen, was der Verpflichtete unter Berücksichtigung seiner beruflichen Qualifikation, seines Alters, seiner Berufserfahrung und seines Gesundheitszustandes sowie unter Einbeziehung der Arbeitsmarktsituation verdienen könnte.
Gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, der Verpflichtete könnte bei gehöriger Anstrengung mehr verdienen als es bereits der Fall ist, wird die Unterhaltshöhe nach dem fiktiven, aber eigentlich nicht vorhandenen Einkommen berechnet.
Diese Gesetzeslage führt natürlich auch dazu, dass sich ein Unterhaltsschuldner nicht einfach seiner Verpflichtung dadurch entziehen kann, indem er seine Stelle ohne Not kündigt oder bewusst die Stunden reduziert, um Leistungsunfähigkeit einwenden zu können.
Gerade hierbei handelt es sich um typische Fälle, in denen von einer Verletzung der gesteigerten Unterhaltspflicht ausgegangen und daher das bisherige Einkommen einfach weiterhin fiktiv zugrunde gelegt wird.
Alles in allem ist stets eine konkrete Einzelfallprüfung nötig, um sämtliche Umstände in die Entscheidung miteinbeziehen zu können.
Die Autorin ist Fachanwältin für Familienrecht bei scheidungspraxis.de.